Alte Berufe und Handwerke |
Finstere Gestalten Im wohlgeordneten Durcheinander der Museums-Schusterstube liegt eine Rolle festen Fadens, Schusterdraht. Die Schuhmacher tränkten und behandelten dazu Hanffäden mit Pech und gewannen so den robusten und steifen Zwirn zum Zusammennähen ihrer Schuhe. Gutes Pech war deshalb gefragt. Den Rohstoff dazu lieferte der Frankenwald durch das Harz seiner Nadelbäume. Unermüdlich streiften wild aussehende Männer durch das dichte Holz und kratzten Harzbrocken von den Bäumen ab. Die Bewohner von Fichtelgebirge, Vogtland und Frankenwald nannten sie "Pechkratzer" oder "Pecher". Als finstere Gestalten werden sie beschrieben. Gesicht und Hände pechschwarz vom Umgang mit dem Harz, die Haare verklebt, Hose und Kittel vom Auf- und Abklettern an den Bäumen zerlumpt. Auf dem Rücken festgebunden schleppten sie einen pichenen Leinensack, in dem sie die Tagesausbeute sammelten. Manchem Wanderer oder Waldneuling mag der Schreck heftig in die Glieder gefahren sein, wenn ihm plötzlich so ein Kerl in den Weg trat. Die Arbeit war mühsam. Das Schabeisen in der Faust bestiegen sie die Stämme und schürften Harzwülste und Harzaustritte ab. Dabei kamen auch zahlreiche gesunde Bäume zu Schaden, sehr zum Unwillen der Forstbesitzer. Misstrauisch beobachteten diese das Treiben der "Pecher", die oft genug heimlich und versteckt ihrem Gewerbe nachgingen und in ihren armseligen Pechhütten abseits und verborgen in den Wäldern hausten. Hier kochten und sotten sie das eingetragene Harz zu Pech, Öl oder Schmiere. Beißender Qualm durchzog die Hütte und vernebelte die Umgebung. Mit entzündeten Augen überwachten sie den Sud und prüften die Qualität, denn gutes Pech fand immer seine Abnehmer. |
Einträgliches Handwerk |
Die Zeit der Weißnäherei - Blüte der Weißnäherei
"Frankenwälder Art"
Die Handstickerei war im Frankenwald kein alteingesessenes Gewerbe wie die Weberei, sondern entstand aus der Notsituation großer Teile der hiesigen Bevölkerung um 1850. Der große Fleiß, die Vielseitigkeit der Arbeiten und ein weit entwickeltes "Know-how" ließen allmählich ein blühendes Gewerbe entstehen, das vor dem 1. Weltkrieg etwa 10.000 Heimarbeiterinnen beschäftigte. Vor allem mit dem Bau der Bahnlinie Hof - Marxgrün 1886 erlebte dieses Gewerbe einen bedeutenden Aufschwung und wurde bodenständig. Faktoren, einzelne Stickerinnen und andere Unternehmer wurden nun selbständige Verleger, "Stickereifabrikanten". Sie beschäftigen jetzt selbst die Musterzeichner, Zieherinnen und Stickerinnen. Aus dem "Plauisch Nähen" der Anfangszeit entwickelte sich die Handstickerei "Frankenwälder Art" mit Hohlsaum, Wickel, Rennel, Plattstich, Nadelmalerei, Festonieren und Monogrammstickerei. Unterstützung erhielt das Gewerbe auch durch das Bayerische Kultusministerium, das nach 1900 durch Ausbildung einiger Sticklehrerinnen, Abhalten von Stickkursen und regelmäßigen Sommerlehrgängen für Heimstickerinnen die Verbreitung und Entwicklung dieser Handwerkskunst förderte. 1911 wird in Enchenreuth eine Stickereischule gegründet, die durch eine Berufsfortbildungsschule 1921 erweitert wird. Hergestellt wurden vor allem Bett-, Leib- und Tischwäsche sowie bestickte Kleider und Blusen. Tischgedecke im Wert von mehreren tausend Mark waren vor dem 1. Weltkrieg keine Seltenheit. Bekannt ist die Bestellung des spanischen Königs um die Jahrhundertwende, bestehend aus Tischdecke und Servietten. Sieben Stickerinnen arbeiteten drei Jahre lang daran. Der Erlös der Faktorei 28.000 Mark. Zeugnisse dieses Könnens lassen sich im Museum bestaunen. Eine Decke mit der Darstellung des Triumphwagens Kaiser Maximilians, nach einer Holzschnittserie Albrecht Dürers, wurde auf der Weltausstellung in Brüssel 1910 mit der Goldmedaille prämiert. Das Prunkstück dieser hochentwickelten Kunst ist zweifelsohne das "Nailaer Tafeltuch", eine über acht Quadratmeter große handgestickte Tischdecke, die wohl einmalig auf der Welt ist. Markt und Trend Automation statt Handarbeit
Nach dem 2. Weltkrieg war Initiative verlangt. Der Stickereiverband Naila bemühte sich das bodenständige Heimgewerbe durch modische Ausrichtung seiner Erzeugnisse wieder in Gang zu bringen. Zusätzlich war man gezwungen, auch die Konfektion der Damenunterwäsche und besonders der handgestickten Blusen selbst zu übernehmen. Eine neu zu errichtende Fachschule, die "Stickereifachschule Naila", sollte dabei helfen. Mit dem Aufbau einer Klasse für Zeichnen, Mode und Schnittzeichnen wurde der erste Schritt 1949 gewagt. Das evangelische Kinderheim stellte vorerst die Räume zur Verfügung. Der Tatkraft von Frau Neppert-Böhland ist es zu verdanken, dass 1952 die moderne Schule in der Stengelstraße entstand. Aber schon in den 50er Jahren bringen ausländische Billigkonkurrenz, Modewandel und mangelndes heimisches Interesse an der Ausübung des Stickereigewerbes, wirtschaftliche Schwierigkeiten. Durch verstärkte Hinwendung zur Konfektion begegneten die Firmen diesem Trend. Auch die Schule, nunmehr "Staatliche Fachschule und Berufsfachschule für Bekleidung", vollzieht diese Umstellung mit. Mode und Geschmack gingen neue Wege. "Time is Money" wurde zur Devise der Wirtschaft. Maschinen statt Handarbeit. Für die Handstickerei gab es weder Einkommen noch Auskommen. 1972 löst sich der Nailaer Handstickereiverband e.V. auf. Über 100 Jahre Weißnäherei in Naila hatten damit ihr offizielles Ende gefunden. Die Exponate des Nailaer Museums im Schusterhof halten die Erinnerung weiter aufrecht und dokumentieren die feine Kunst dieses Handwerks sowie den Fleiß seiner Leute. |
Nailaer Originale
Weiße Strümpf´ und Spangenschuh´
Über den Lappenheiner wissen ältere Nailaer immer wieder die eine oder andere skurrile Geschichte zu erzählen, die dieses Original trefflich charakterisiert. Stadtbekannt wie er war, wurde er gern von Jung und Alt mit seinem Spitznamen angerufen und lauthals mit "Lappen" begrüßt. Worauf er, zur Gaudi der anderen, polternd und mit derben Schimpfwörtern reagierte. Gewohnt hat er in Froschgrün, wo er Heimatrecht genoss. Häufig hauste er beim Wertsgerch im Stall, unweit vom Ort seiner Hauptbeschäftigung, dem Kegelaufstellen im Wirtshaus. Seine derzeitige Unterkunft sah man ihm häufig an. Strohhalme im Haar und an der Joppe, der ganze Kerl ein Stück Dreck und selbst für hartgesottene Nasen war seine Nähe eine Qual. Auf der Vorderfront der Jacke spiegelten sich zudem die Folgen seiner unmäßigen Schnupferei. Einmal im Jahr führte ihn sein Weg in die Schuhfabrik. Im Musterzimmer suchte er sich dann sorgfältig ein Paar neue Schuhe aus, wobei seine ganze Aufmerksamkeit dem Angebot an Damenlackspangenschuhen galt. Wichtig war ihm, dass sie möglichst viele durchbrochene Spangen aufwiesen, denn der "Lappen" trug immer weiße Strümpfe, die jeder sehen sollte. Darauf kam es ihm besonders an. Gezahlt hat er nie. Der "Lappen", bürgerlich hieß er Heinrich Müller, lebte bis 1915. Über sein Ende wird erzählt, dass die Gastfamilie, bei der er vorübergehend logierte, ihn nach langem Drängen dazu überreden konnte, doch endlich ein Bad zu nehmen, denn sein Gestank raube jedem in der Nähe die Luft. Dabei soll ihn eine Lungenentzündung auf´s Lager gezwungen haben, von der er sich nicht mehr erholte. 68 Jahre und 5 Monate ist der Heiner alt geworden, so steht es in der Nailaer Chronik. Ein gerahmtes Foto über dem Eingang zur Froschgrüner Kegelbahn erinnert an dieses Original, den "Lappen". "Naalicher Oozünder" Stummes Edda
Die Stummes Edda, ein Nailaer Original, bewohnte mit ihrem Mann, dem Christian, eine einzige Stube und beide hatten zusammen nur ein einschläfriges Bett. Als der Christian krank lag und zum Sterben kam, wurde er von seiner Edda treulich gepflegt und mit den Worten getröstet: "Christian, dei Sterbhemm haou ich dir scho hergericht!" Als dann der Christian starb, ging die Edda sofort aufs Rathaus, um den Todesfall anzumelden und, da sie kein Geld besaß, das Begräbnis auf Gemeindekosten zu beantragen. Da kam sie beim Bürgermeister, dem alten Siemakapp, gerade richtig, der das Ansuchen barsch ablehnte. Als der Bürgermeister nach zwei Tagen noch keine Trauerfeier wahrgenommen hatte, ließ er die Edda kommen um sich zu erkundigen, was sie mit dem toten Christian nun zu tun gedenke. Daraufhin erklärte die Edda gekränkt: "Derham hinter der Haustür hob ich na höigelahnt, mir lahnt er gout." - Der Christian wurde letztendlich auf Gemeindekosten beerdigt. |
Land und Leute
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Archiv des Museums Naila Das Archiv umfaßt Texte und alte Schriften, die in der Stadtverwaltung oder der Stadtbücherei Naila nicht vorliegen. Diese Chroniken und Schriften können nach Anmeldung im Museum eingesehen werden. Eine Ausleihe ist nicht möglich. Anmeldung bei Wolfgang Brügel, Tel. 09282 8070, w.bruegel@museumnaila.de
Sammlung zur Geschichte Chroniken Sagen/Literatur/Geschichten zu örtlichen Dialekten |
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Dr. Georg Hübsch k. prot. Pfarrer in Helmbrechts, vordem in Naila, und Mitglied mehrerer historischen Vereine, schrieb eine Chronik der Stadt und des Bezirks Naila. (Helmbrechts 1863) |